Vor ziemlich genau 3 Jahren habe ich ja den Aufruf zur Teilnahme an einer Studie der LMU München geteilt, es ging damals um die Ermittlung von echokardiographischen Referenzwerten bei Windhunden.
Einladung zum kostenlosen Herzultraschall und zur Augenuntersuchung in Leonding/OÖ
Windhunde haben vom „Durchschnittshund“ abweichende Herzparameter, weshalb es leider immer wieder zu Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen kommt. Mit einer an die Rasse angepassten Beurteilung der Untersuchungsergebnisse passiert das weniger häufig, und das war eines der Ziele dieser Untersuchung.
Ursprünglich waren mehr Rassen angedacht, doch die Halter und Züchter waren teilweise etwas zurückhaltend.
Leider haben auch an diesem Wochenende nicht so viele Halter mitgemacht, wie wir uns das gewünscht hätten, aber es kamen während des 1,5 Jahre dauernden Untersuchungszeitraums immerhin genügend Whippets und Salukis zusammen, um eine valide Aussage zu treffen. Ich möchte allen Tierärzten, Helfern und Teilnehmern ganz herzlich danken, vor allem aber natürlich meinen Welpenleuten, die teilweise sehr lange Anfahrten in Kauf genommen haben!
Ihr seid einfach toll ❤


So, und was kam dabei nun heraus?
Echokardiographische Referenzintervalle für Salukis und Whippets mit Schwerpunkt auf Bestimmung der enddiastolischen und endsystolischen linksventrikulären Volumina mittels der Simpson-Scheibchen-Summationsmethode von (nun Dr.) Maria Seckerdieck, LMU München
Folgend möchte ich das zitieren, was mir an dieser Arbeit persönlich als Züchter und Halter relevant erscheint, es ist also meine persönliche Meinung und meine persönliche Schlussfolgerung. Wer die ganze Arbeit lesen möchte und vielleicht zu eigenen Schlüssen kommen will, der kann und soll das auf jeden Fall tun! Da sie noch dazu auf Deutsch ist (wobei ich den Artikel im Journal of Veterinary Cardiology als prägnante Zusammenfassung als besonders lesenswert empfinde), kann sie wirklich jeder durchackern und verstehen
In verschiedenen Studien wurde gezeigt, dass sich die Herzgrößen und -dimensionen von Windhunden von den kardialen Gegebenheiten anderer Hunderassen unterscheiden. Es fallen vor allem größere linksventrikuläre Innendurchmesser, sowie Wanddicken auf, die leicht zu Fehlinterpretationen bei diesen athletischen Hunderassen führen können. Rassespezifische Referenzintervalle sind demnach essentiell, um Fehldiagnosen zu vermeiden. (…)
In einer Studie bei Whippets präsentierten sich fast 60 % der Studientiere mit einem leisen systolischen Herzgeräusch, welches meist über der Aortenklappe und in manchen Fällen auch über der Pulmonal- und Mitralklappe zu hören war. Diesen Befunden lagen keine strukturellen Herzerkrankungen zugrunde, auffällig war lediglich, dass diese Tiere im Vergleich zu Tieren ohne Herzgeräusch eine höhere Aortenflussgeschwindigkeit aufwiesen (BAVEGEMS et al., 2011). (…)
Vergleiche zwischen verschiedenen Zuchtlinien
Auf die Simpson-Volumina hatte die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Zuchtlinie (Rennlinie oder Showlinie) keinen Einfluss. Weder beim Whippet noch beim Saluki gab es einen signifikanten Unterschied der Volumina zwischen den Gruppen.
Bei den übrigen Parametern fielen in der Population der Whippets lediglich höhere Aorten- und Pulmonalflussgeschwindigkeiten für Tiere aus einer reinen Rennlinie auf. (…)
Es bleibt anzumerken, dass Hunde aus einer reinen Rennlinie in beiden Rassen deutlich unterrepräsentiert waren. Es ist möglich, dass bei einer größeren Population und ausgeglichener Stichprobenzahl die Unterschiede bedeutender ausfallen.
Die Herkunft aus bestimmten Zuchtlinien muss in jedem Fall bei der Beurteilung der echokardiographischen Befunde berücksichtigt werden.
Es ist naheliegend, dass sich die mittlerweile doch als extrem zu bezeichnende Selektion auf Geschwindigkeit in manchen Rennlinien auch auf das Herz auswirkt. Das sollte man bei Untersuchungen also berücksichtigen und nicht falsche Schlüsse aus (vom Durchschnittshund) abweichenden Werten ziehen.
Auch ist ein leichtes (systolisches) Herzgeräusch noch lange kein Anzeichen für ein tatsächliches Herzproblem, sondern funktionell bedingt. Immer wieder hört man ja die Aussage, ein junger Hund sei herzkrank, weil er ein Herzgeräusch hat. Ein unkundiger Tierarzt (und hier unkundig zu sein ist, in meinen Augen nicht unbedingt eine Schande) kann also Fehldiagnosen stellen. Das war auch ausdrücklich einer der Beweggründe für diese Untersuchung, häufige Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen bei Windhunden. Eine medikamentöse Therapie ohne entsprechende Untersuchung bei einem Spezialisten ist demnach keine gute Idee!

Ein relativ hoher Prozentsatz der in dieser Studie untersuchten Whippets und Salukis zeigte Insuffizienzen an den Atrioventrikularklappen.
Von 119 Whippets wiesen 23 Tiere (19,3 %) Insuffizienzen der Mitralklappe auf und drei Tiere (2,5%) Insuffizienzen der Trikuspidalklappe. (…)
BAVEGEMS et al. fanden bei Whippets aus einer reinen Rennlinie eine höhere Prävalenz für eine Mitralinsuffizienz als für Tiere aus einer reinen Showlinie. Die meisten Hunde aus der Rennlinie wurden in jener Studie auch sportlich geführt (BAVEGEMS et al., 2007).
In der vorliegenden Arbeit war eine Einteilung der Hunde nach dem Trainingszustand nicht möglich, sodass ein Einfluss von sportlicher Aktivität auf die Regurgitationen an den Herzklappen nicht evaluiert werden konnte.
Es ist aber auch zu überlegen, ob bei Whippets und Salukis möglicherweise eine Prädisposition für Klappendysplasien bzw. für die Entwicklung von Mitral- und/oder Trikuspidalklappenendokardiosen im Alter vorliegt. Die Tiere, die in dieser Studie mit Mitralklappeninsuffizienzen auffielen, waren im Durschnitt 6,9 Jahre (Whippets) bzw. 6,0 Jahre (Salukis).
Es gibt bereits Untersuchungen zur früh auftretenden Mitralklappeninsuffizienz beim Whippet, die etwas tiefer gehen. Relativ frisch ist auch eine Untersuchung zum genetischen Hintergrund der MI beim Whippet:
In Whippets, previous publications and an ongoing longitudinal study of healthy and MVD affected dogs have demonstrated high frequency of MVD and a comparably early age of onset in some dogs supporting its plausible genetic origin [12–14]. The purpose of this study was to identify a genetic locus associated with the development or severity of MVD in Whippets.
These results support the hypothesis that severity of MVD in whippets has a genetic basis and warrants further study by either candidate gene sequencing or next-generation techniques.Severity of Mitral Valve Degeneration Is Associated with Chromosome 15 Loci in Whippet Dogs
Frei übersetzt: Beim Whippet haben frühere Publikationen und laufende Langzeitstudien von gesunden und an MI erkrankten Hunden eine besondere Häufigkeit von MI gezeigt und ein vergleichsweise frühes Einsetzen, was einen genetischen Ursprung nahelegt. Das Ziel dieser Studie war es, einen genetischen Locus ausfindig zu machen, der mit der Entwicklung oder dem besonderen Schweregrad der MI in Zusammenhang stehen.
Die Ergebnisse dieser Studie unterstützen die Hypothese, dass die früh einsetzende MI beim Whippet in dieser Schwere/Ausprägung genetisch bedingt ist. Weitere Untersuchungen müssen (und werden hoffentlich) folgen.
Hier möchte ich ganz kurz anführen, was eine MI eigentlich ist:
Die Mitralklappe ist eine Herzklappe und verhindert während der Auswurfphase des Herzens den Rückfluss von Blut aus der linken Herzkammer (Ventrikel) in den linken Vorhof (Atrium). Diesen Rückfluss nennt man Regurgitation.
Wenn euch jemand sagt, er hat einen Herzfehler oder einen Herzklappenfehler, dann ist damit meist die MI gemeint, denn sie kommt auch beim Menschen relativ häufig vor.
Die Folge ist eine übermäßige Belastung des linken Ventrikels und im weiteren Verlauf kommt es zur Erweiterung (Dilatation) des linken Ventrikels und des linken Vorhofes. Der Blutdruck in den Pulmonalvenen steigt, das ganze Herz wird überbelastet, der Körper versucht die Minderversorgung mit Blut zu kompensieren, die Herzfrequenz steigt, das Herz vergrößert sich usw. usf.
Wird nicht behandelt, kommt es zur Herzinsuffizienz.

Eine MI kann angeboren oder erworben sein, bspw. durch Infekte, die die Herzklappe angreifen und zur verringerten Dichtigkeit führen.
Das gehäufte Auftreten von MI beim Whippet wurde immer damit begründet, dass Sporthunde eben anfälliger seien oder das eine Art Verschleißerscheinung sei.
Die Besonderheiten des Sportlerherzens zeigen sich aber anders.
So haben rennsportlich geführte Greyhounds eine signifikant größere linksventrikuläre Wanddicke und einen erhöhten Innendurchmesser im Vergleich zu einer nicht sportlich aktiven Kontrollgruppe derselben Rasse (LONSDALE et al., 1998).
Dies scheint genetisch bedingt zu sein, da sowohl Welpen als auch untrainierte Hunde und im Training stehende Hunde die selben Verhältnisse zwischen Herzgewicht und Körpergewicht aufweisen, also ein vergleichsweise vergrößertes Herz.
Außerdem muss man sich fragen, wie sportlich aktiv die sportlich geführten Hunde tatsächlich sind. Wenn wir Menschen in unregelmäßigen Abständen einen halsbrecherischen Sprint durch die vollkommen überfüllte Bahnhofsvorhalle hinlegen, uns keuchend und mit letzter Kraft die Treppen hochschieben und mit einem wenig eleganten Hopser im Zug landen, wo wir dann laut schnaufend auf einem Sitz hängen, würde niemand auf die Idee kommen, uns als Hochleistungssportler zu bezeichnen. Recht viel mehr ist Windhundsport für manche Windhunde aber gar nicht. Alle paar Wochen mal ein Training auf der Bahn oder einen Bewerb zu bestreiten, ist nicht unbedingt so sportlich, dass man von Leistungssport sprechen könnte. Der unzureichende Trainingszustand mancher Hunde zeigt das ja auch, denn die Sache mit dem Freilauf, die ist ja bei manchen schwierig.
Vergleiche mit Profi-Racern der Rennindustrie sind also nicht unbedingt immer aussagekräftig.
Eine weitere Frage, die sich mir in diesem Zusammenhang stellt: Was ist mit echten Arbeitshunden oder Sporthunden, die zu einem großen Teil konstant deutlich höhere Leistungen erbringen? Wo sind diese Hunde, die bedingt durch ihre Leistungen gehäuft von MI betroffen sind?
Von Schlittenhunden gibt es Daten, die vermehrt leichte funktionelle Herzgeräusche bei hochtrainierten Schlittenhunden zeigen. Diese sind aber nicht mit einer MI oder einer anderen strukturellen Abweichung gekoppelt, Ursache ist die erhöhte Aortenflussgeschwindigkeit, siehe Zitat weiter oben oder S. 34 in Maria Seckerdieks Arbeit.
Auch zeigt sich in dieser Arbeit, dass bei den teilnehmenden Salukis weniger Hunde betroffen waren, obwohl bei dieser Rasse ebenfalls bekanntermaßen Probleme am Herzen auftreten (bei Salukis ist ein Herzschall für die Zucht verpflichtend).
Von den erwähnten 23 Whippets mit MI waren 20 von einer milden Form betroffen, 3 von einer moderaten. Außerdem hatten 9 Hunde (7,6%) eine milde Aortenstenose, 3 (2,5%) hatten Herzrhytmusstörungen und 2 (1,75%) milde Aortenklappeninsuffizienz. Diese Hunde wurden nicht in die Studie zu den Referenzwerten aufgenommen. Zusätzlich hatten 3 Hunde (2,5%) eine milde Insuffizienzen der Trikuspidalklappe und 2 (1,75%) eine milde Pulmonalklappeninsuffizienz, was nicht als krankhaft zu werten ist und daher floßen diese Hunde in die Datenauswertung mit ein.
Die verwendete Technik war bei dieser Untersuchung sehr fein, es wurden also auch kleinste Abweichungen sichtbar, die bei einem regulären US vielleicht gar nicht sichtbar geworden wären. Welchen Krankheitswert eine leichte MI hat, die sich im Laufe des Lebens nie (oder erst am Ende eines langen Lebens) als behandlungswürdig erweist, muss man sich natürlich auch überlegen.
Die schweren Fälle gibt es aber, und sie sind nicht so selten, das zeigen eben andere Untersuchungen (bitte geht bei Interesse die Literatur in den beiden verlinkten Studien durch).
Ebenfalls sollte beachtet werden, dass 47 von 119 Hunden aufgrund des Befundes nicht in die Studie aufgenommen werden konnten. Das sind gut 40%, obwohl ausdrücklich nur gesunde Hunde gesucht wurden!
Maria Seckerdieck kommt dann auch zu folgendem Schluss:
In jedem Fall ist zu empfehlen, dass Hunde aus den hier untersuchten Rassen vor Einschluss in die Zucht kardiologisch untersucht werden (Auskultation und/oder Echokardiographie). Unabhängig davon sollte dies erfolgen, wenn für diese Hunde eine sportliche Nutzung angestrebt wird.
Wenn Insuffizienzen bereits in jungen Jahren vorliegen, sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen empfehlenswert. Auch im Alter sollten kardiologische Vorsorgeuntersuchungen (zumindest in Form einer guten Auskultation) bei diesen Rassen regelmäßig stattfinden.
Diese Folgerung ist bei den vorliegenden Daten (wieder: auch anderer Untersuchungen) eigentlich absolut zwingend, dennoch untersuchen längst nicht alle Züchter ihre Hunde und von verpflichtenden Herzuntersuchungen sind wir noch immer weit entfernt. Auch Sporthunde werden in den seltensten Fällen tatsächlich vor dem Beginn ihrer Sportkarriere untersucht, wobei ich mich da natürlich an die eigene Nase fassen muss. Enya, Buddy, Biene und Bluni wurden damals nicht untersucht und mir hat auch eine Auskultation für die Zucht gereicht. Das Gerede von der „gesunden Rasse“ und „dem Sportlerherz“ haben mich diesbezüglich in Sicherheit gewiegt. Unsere Hunde sind bekanntermaßen alle frei von angeborenen oder erworbenen Herzerkrankungen und auch die untersuchten Nachkommen aus den beiden Würfen, aber wussten wir das vor Sport- und Zuchteinsatz tatsächlich sicher? Nein.
Würde ich heute nicht mehr so handhaben.

Einer der Hunde mit leichten Herzrhytmusstörungen war übrigens Azulejo, eine umfassende Abklärung bei einem sehr guten Herzspezialisten in Wien zeigte allerdings keinerlei Auffälligkeiten mehr und er ist damit nun guten Gewissens als herzgesund zu bezeichnen. Herzrhytmusstörungen können vielfältige Ursachen haben, sehr schwerwiegende, aber auch harmlose, wie bspw. eine Gastritis*. Darüber war ich natürlich sehr erleichtert, nenne ich ihn doch sogar immer „Herzhund“
Da Azulejos Familie leider schon einschlägige Erfahrungen mit Herzerkrankungen (MI und tödliche Herzinsuffizienz) beim Whippet hatte, hat mich das damals sehr getroffen. Aber solche Erfahrungen, die sich eben in den letzten Jahren häuften, haben mich dazu veranlasst, diesen Termin hier anzuleiern.
Es ist sicher viel zu tun, wenn man den Whippet gesund und fit erhalten möchte. Mehr oder weniger schwerwiegende Erkrankungen treten durchaus auch bei der „gesunden“ Rasse Whippet auf und sie sind oft genetisch bedingt. Manche davon zeigen sich erst im Laufe des Lebens, oft ab 5-6 Jahren. Es wäre schön, wenn man darauf öfter Rücksicht nehmen würde und mehr ältere, gesunde und fitte Hunde in die Zucht nimmt.

Kein Züchter kann sich vom Auftreten einer genetisch bedingten Erkrankung freisprechen, wir alle züchten mit sehr ähnlichem genetischen Material und in jeder Linie, in jeder Familie gibt es Hunde, die einen Defekt tragen. Jeder einzelne unserer Hunde hat einen kranken Hund in seinen Ahnen und in seiner Verwandtschaft.
Anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen, wäre es angebracht, diese Tatsache einmal anzuerkennen und entsprechend offen mit Problemen umzugehen.
Wenn also das nächste Mal eine solche oder ähnliche medizinische Studie die Möglichkeit zur Teilnahme bietet, finden sich vielleicht schon mehr Halter und Züchter, die ihre Hunde zur Verfügung stellen – und wir können den „Ultraschall-Marathon“ (ich musste bei dieser Bezeichnung lachen, das ganze Team hat damals wirklich erstklassig und schnell gearbeitet) in Leonding toppen
…und ja, ich habe mich natürlich über die Erwähnung der „Whippets de Lobito Azul“ im Artikel und in der Diss gefreut. Deutlich mehr, als über irgendeine Erwähnung in irgendeiner Titelliste. Es sei mir gegönnt
* Edit 16.12.2016: Eben fiel mir ein, dass damals parallel zur Herzuntersuchung eine Augenuntersuchung durchgeführt wurde, wenn der Halter das wünschte. Dazu wurden die Augen mit pupillenerweiternden Augentropfen zuerst eingetropft und dann gings zur Herzuntersuchung. Anschließend folgte die Augenuntersuchung, die Tropfen hatten so genügend Wirkzeit. Systemische Nebenwirkungen solcher Augentropfen betreffen u.a. das Herz und sorgen für, tada, beschleunigten Puls und unregelmäßigen Herzschlag Ich kann nicht sicher sagen, dass das bei ihm die Ursache war, aber anmerken möchte ich es trotzdem.
