In den vergangenen Tagen wurde sehr fleißig ein über 10 Jahre alter Artikel verbreitet, der für viel Verunsicherung gesorgt hat. Wieder mal.
Er heißt „Neues zum MDR1-Defekt“ von Dr. med. vet. Anna Laukner und es steht prinzipiell nichts Unwahres darin, aber sehr wohl etwas an überholtem Wissen.
Und weil ich langsam ein wenig müde werde, immer wieder die passenden Links herauszusuchen, um die Leute aufzuklären, fasse ich jetzt einfach mal alles zusammen.
Was ist denn nun genau so aufregend an diesem Artikel?
Diese Passage:
Möglicherweise betroffen sind auch die folgenden Rassen: Australian Terrier, Australian Kelpie, Australian Cattle Dog, Barsoi, Greyhound, Irish Wolfhound und Belgischer Schäferhund. Dr. Geyer begründet dies mit der genetischen Verwandtschaft zu den Collie-Rassen.
Wie kam Dr. Geyer, der im Artikel zitiert wird, zu dieser Annahme?
Anfang der 2000er begann man damit, die Entstehungsgeschichte der Hunderassen mittels genetischer Untersuchungen, und nicht mehr nur durch historische Berichte, genauer nachzuvollziehen.
2005 erschien zum Beispiel eine Arbeit mit dem schönen Titel „The canine genome“ und darin wurden die untersuchten 85 Hunderassen bereits in 4 Cluster eingeteilt – Asian/Ancient, Herding, Hunting und Mastiff.
Und, siehe da, einige der Windhundrassen fanden sich im Herding-Cluster und nicht im Hunting-Cluster.
Es waren dies der Barsoi, der Grey und der IW.
Structure analysis of 85 dog breeds. Cluster results from a structure analysis of 414 dogs from 69 breeds and based on 96 microsatellite markers. Each breed was usually represented by five dogs, and all dogs were unrelated to one another at the grandparent level.
http://genome.cshlp.org/content/15/12/1706.full
Heute gibt es natürlich viel feinere Analysen, allein Loris Analyse bei MyDogDNA umfasst mehr als 20.000 solche Marker (SNPs) und in wenigen Monaten werden auch Analysen mit 180.000 Markern für jeden erschwinglich sein.
Damals war das aber der Stand der Dinge und so viel hat sich am Ergebnis nicht geändert, 2017 wurde eine neue Studie mit 161 Rassen veröffentlicht und es zeigt sich, dass auch bei über 150.000 analysierten SNPs die Hütehunde und die Windhunde sehr, sehr nahe verwandt sind (hellgrün).
http://dx.doi.org/10.1016/j.celrep.2017.03.079
Wer sich ein bisschen mit Lurchern oder auch nur ein bisschen mit britischen Hütehunden oder der Herkunft von Hüteverhalten und Jagdverhalten beschäftigt, für den wird das keine Überraschung sein.
Sie harmonieren ja auch super, meine kommen alle sehr gut aus mit Collies, Border Collies und Aussies
















Lori und Boder Collie Lee (Arbeitslinie, 12kg) laufen und raufen nahezu ebenbürtig miteinander.
Was kam bei den weiteren Untersuchungen von Dr. Geyer heraus?
Die Antwort findet sich bereits im Titel des Beitrags: Windhunde tragen keine Mutation des MDR1-Gens!
Is so, da muss man nicht diskutieren und das weiß man schon seit 2010.
The study included dog breeds that show close genetic relationship or share breeding history with one of the predisposed breeds but in which the occurrence of the MDR1 mutation has not been reported. The breeds comprised Bearded Collies, Anatolian Shepherd Dog, Greyhound, Belgian Tervuren, Kelpie, Borzoi, Australian Cattle Dog and the Irish Wolfhound. The MDR1 mutation was not detected is any of these breeds, although it was found as expected in the Collie, Longhaired Whippet, Shetland Sheepdog, Miniature Australian Shepherd, Australian Shepherd, Wäller, White Swiss Shepherd, Old English Sheepdog and Border Collie with varying allelic frequencies for the mutant MDR1 allele of 59%, 45%, 30%, 24%, 22%, 17%, 14%, 4% and 1%, respectively.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20655253
Die Ausnahme bilden eben Silken Windsprite (noch immer gelegentlich als Langhaarwhippet bezeichnet und auch in der Arbeit als solche geführt, da damals die Sache mit dem Namen noch nicht so klar war ) und der Silken Windhound, bei beiden aufgrund der Hütehundeinkreuzung.
Mit 45% lagen die getesteten „Langhaarwhippets“ damals auch an zweiter Stelle, wie genau aktuell die Verteilung innerhalb der Rasse aussieht, weiß ich nicht. Da die Gentests auf den MDR1-Defekt aber schon einige Jahre verpflichtend sind, gibt es sicherlich grobe Zahlen, die man bei den Zuchtclubs erfragen kann.
Es ist also nichts dran an dem Gerücht und es wundert mich seit Jahren, dass immer wieder so viele langjährige Windhundleute darauf anspringen.
Nur weil im Titel das Adjektiv „neu“ zu lesen ist, ist der Inhalt nicht zwangsweise „neu“.
Bitte schaut ein bisschen kritischer hin, wenn ihr etwas teilt.
Vor allem Whippetneulinge sind seit Jahren verunsichert und es ist geradezu unverschämt, wenn teilweise von Langhaarwhippetleuten bewusst behauptet wird, auch der Whippet würde die MDR1-Mutation tragen. Nein, er trägt sie nicht! Er trägt ja auch keine CEA
Der sog. Langhaarwhippet ist unzweifelhaft aus einer Kreuzung von Sheltie und Whippet entstanden, daher trägt er leider, so wie der genetisch meist identische Silken Windsprite, sowohl die MDR1-Mutation als auch die CEA (Collie Eye Anomaly).
Ich bin froh, dass hier von Seiten der Silken Windsprites offener mit der Abstammung umgegangen wird.
Wer mehr über die MDR1-Mutation lesen möchte und auch an aktuellen Publikationen interessiert ist, der möge bitte auf der Homepage der Forschungsgruppe der Uni Gießen unter der Leitung von Dr. Geyer vorbeischauen.
https://www.transmit.de/mdr1-defekt/index.html
Und jetzt mal schauen, wie oft ich diesen Beitrag in den kommenden Jahren verlinken muss…
