Aufbauend auf den ersten Teil möchte ich diesmal etwas nĂ€her darauf eingehen, was bei sogenannten âgenomweiten DNA-Analysenâ in welchem Umfang getestet wird und was verbreitete Vorurteile und MissverstĂ€ndnisse sein können, wenn man von âGentestsâ und deren Anwendung in der Zucht spricht.
Seit Teil I sind gut 2 Jahre vergangen und zwischenzeitlich hat sich viel getan, bezogen auf die Analysen selbst, auf die Stimmung innerhalb der ZĂŒchterszene, aber auch im kleinen Rahmen meiner eigenen ZuchtstĂ€tte. Der C-Wurf, der bereits Jahre im Vorfeld und unabhĂ€ngig von Genanalysen geplant war, ist nun bald 4 Monate alt und der erste Whippetwurf (und bisher auch der einzige Wurf generell, den ich finden konnte), der vollstĂ€ndig bei MyDogDNA analysiert wurde und dessen Analysen öffentlich zugĂ€nglich sind. Welche spannenden und erfreulichen Ergebnisse die Untersuchungen brachten, werde ich aber in einem anderen Beitrag detailliert darstellen. Die Absichten, die ich mit dieser Wurfplanung verfolgt habe, konnten jedenfalls nachweislich sehr gut erfĂŒllt werden.
UrsprĂŒnglich dachte ich, drei Teile zum Thema wĂŒrden ausreichen â aber die Reaktionen auf Teil I und andere BeitrĂ€ge wie die ErklĂ€rung zum Breeder Tool und Genetic Health Index haben gezeigt, dass es noch sehr viel ErklĂ€rungsbedarf gibt. Und weil ich diese genetischen Profile so sinnvoll finde und fĂŒr zukunftsweisend halte, mache ich mir erneut die MĂŒhe, und entspinne fĂŒr manche hoffentlich StĂŒck fĂŒr StĂŒck ein bisschen von diesem Wirrwarr. Das Thema ist jedoch so breit gefĂ€chert und umfangreich, dass auch diesmal nur HĂ€ppchen serviert werden können.
Wer bereits nach den ersten Zeilen gar nichts versteht, dem sei die EinfĂŒhrung noch einmal dringend ans Herz gelegt.
Ich verwende als Beispiel die Analyse MyDogDNA von Genoscoper aus Finnland, da ich sie mit meinen Hunden durchgefĂŒhrt habe und es einige Whippets in der öffentlichen Datenbank gibt, die ich als Beispiele nutzen darf. Auch Embark in den USA oder Feragen in Ăsterreich bieten Ă€hnliche DNA-Analysen an, jedoch unterscheiden sie sich in Details, deren Vor- und Nachteile jeder selbst fĂŒr sich abwĂ€gen muss. Unter anderem hĂ€tte ich eben nicht die Möglichkeit, Profile einzelner Hunde fĂŒr jeden zugĂ€nglich zu machen und zu erklĂ€ren. Aber weder bekomme ich fĂŒr ErwĂ€hnungen hier Rabatte, noch werde ich anderweitig gesponsert. Leider ![đ]()
Ich möchte mit diesem Artikel also keinem einen direkten Vorzug geben, wer sich fĂŒr DNA-Analysen interessiert, muss sich bitte bei den entsprechenden Anbietern schlau machen und das fĂŒr ihn ideale Angebot auswĂ€hlen.
Zugegeben, sich unter all den Angeboten zurechtzufinden, ist fĂŒr Laien nicht ganz einfach. Es tut sich ja viel auf dem Markt, es ist fast eine Art WettrĂŒsten, und wir sind noch lange nicht am Ende der Möglichkeiten.
TatsĂ€chlich gelang es durch das Engagement einiger Privatpersonen, in den vergangenen ein bis zwei Jahren alleine in Deutschland mehrere hundert Windhunde ĂŒber MyDogDNA zu testen und deren öffentlich bereitgestellte Daten fĂŒr populationsgenetische und andere Analysen zu nutzen (siehe die Zuchtberichte zum Whippet und auch zum Greyhound, aber auch intern fĂŒr bspw. Rassemeetings des DWZRV).
War Lori noch die erste WhippethĂŒndin in Ăsterreich, die dort getestet wurde, und ergab die Suche nach DeckrĂŒden im Breeder Tool gerade ein gutes Dutzend Treffer, sind es nun (Stand heute) 81Â RĂŒden. 96 HĂŒndinnen sind als ZuchthĂŒndinnen eingetragen. Tendenz stark steigend.
Selbst in ZuchtverbĂ€nden wie dem DWZRV oder dem WWCS bekommt die Analyse MyDogDNA langsam Raum und man kann Rabatte nutzen oder einen Link zum Profil des Hundes in der DeckrĂŒdenliste eintragen lassen.
SelbstverstĂ€ndlich ruft das auch Gegenstimmen unter WindhundzĂŒchtern auf den Plan und im vergangenen Jahr sorgte auch ein Artikel im renommierten âNatureâ fĂŒr Aufregung. Ich habe dazu bereits im Juli 2018 etwas geschrieben, möchte aber erneut darauf hinweisen, da er von Kritikern noch immer unreflektiert genutzt wird.
Der Titel des Artikels âPet genomics medicine runs wildâ (in etwa zu ĂŒbersetzen mit âGenomische Tiermedizin auĂer Rand und Bandâ) bezieht sich auf die tatsĂ€chlich wie Pilze aus dem Boden schieĂenden Angebote sogenannter âdirect-to-consumer (DTC) companiesâ, die Gentests direkt an Hunde- und neuerdings auch Katzenbesitzer verkaufen.
Diese Kritik ist sehr wichtig und âThe Greyhound Showâ hat dankenswerterweise kurz zusammengefasst, was das Problem an der aktuellen Situation ist bzw. wie bereits daran gearbeitet wird, um sie zu verbessern. Beispielsweise mit der âInitiative zur Harmonisierung von Genstests fĂŒr Hundeâ (HGTD)
Wir selbst als ZĂŒchter können nur indirekt zu einer sinnvollen Lösung beitragen, indem wir Labore unterstĂŒtzen, die gemeinsam (!) an der QualitĂ€tssicherung dieser Tests arbeiten. Eines dieser Labore ist Genoscoper, Anbieter der von uns genutzten Analyse MyDogDNA.
Was aber auch getan werden kann bzw. getan wird, so lange die Forderung nach speziell ausgebildeten Beratern noch nicht umgesetzt wurde, ist selbst beratend tĂ€tig zu sein und nicht Zweifel und Missgunst zu schĂŒren.
Hinter âThe Greyhound Showâ stehen Menschen, die mit ihrer Expertise auf diesem Gebiet (forschend und lehrend z.B. am Lehrstuhl fĂŒr Molekulare Tierzucht und Biotechnologie der LMU MĂŒnchen) kompetent genug sind, um Fragen zu beantworten. Sie bieten u.a. die neue ZĂŒchterschulung des DWZRV an, ermöglichen Rabattaktionen durch Sammelbestellungen und beraten auch darĂŒber hinaus unermĂŒdlich Interessierte. FĂŒr ZĂŒchter und DeckrĂŒdenhalter oder einfach nur interessierte Menschen, die ihre Hunde testen lassen, wurde die geheime Facebook-Gruppe âWindhunde bei MyDogDNAâ eingerichtet, in der Ergebnisse, Studien und offene Fragen besprochen werden können â in einem geschĂŒtzten Rahmen, denn es sind nur Mitglieder erlaubt, deren Hunde nachweislich getestet wurden.
NatĂŒrlich sind auch BeitrĂ€ge wie dieser hier wichtig und selbstverstĂ€ndlich stehe ich besonders fĂŒr Whippetleute (und zunehmend fĂŒr Silken Windsprites) immer ausfĂŒhrlich Rede und Antwort. Genoscoper selbst ist sehr hilfsbereit und versorgt jeden Interessierten zuverlĂ€ssig und schnell mit wissenschaftlichen Publikationen und Informationen, man muss also keine Scheu haben, schlieĂlich ist man dort (potentieller) Kunde.
Aber auch wenn Geld keine Rolle spielt, sollte Hilfe selbstverstĂ€ndlich sein. Angeblich ist Hundezucht ja ein Hobby, und da muss es doch möglich sein, dass man sich gegenseitig unterstĂŒtzt. Wer allerdings nicht fragt, der wird auch keine UnterstĂŒtzung bekommen, und dann liest man doch immer wieder die merkwĂŒrdigsten Dinge ĂŒber diese Tests oder ĂŒber TestergebnisseâŠ
Wir stehen jedenfalls am Beginn einer interessanten und hilfreichen Entwicklung und nur zuzuschauen, oder gar einfach weiterzuwurschteln wie bisher, ist fĂŒr viele Rassen ein Weg in die Perspektivlosigkeit.
Zu diesem Schluss kommen ja auch die Autoren des Artikels, die dabei nicht nur Tiere im Fokus haben (Ăbersetzung von mir): âRichtig durchgefĂŒhrt, kann die Anwendung genetischer Tests bei Haustieren ein wirksamer Weg sein, Menschen besser mit den Möglichkeiten der Behandlung genetischer Erkrankungen vertraut zu machen. Falsch durchgefĂŒhrt, könnte es das Vertrauen einer zunehmend wissenschaftsskeptischen Ăffentlichkeit in die Wissenschaft untergraben.â
Was testen wir also? Oder besser, was testen wir nicht? Und was macht man mit den Ergebnissen?
Vielleicht ist es gut, kurz ein paar Worte zur Analyse an sich zu verlieren:
Mit Profil, Panel, Analyse, Test meine ich das:
Die Analyse von ausgewÀhlten SNPs und von bekannten Mutationen, sei es im Bezug auf Farbe, Morphologie oder mit Erkrankungen verbundenen Mutationen.
SNP, was ist das nun wieder?
SNP steht fĂŒr Single Nucleotide Polymorphism (oder Einzelnukleotid Polymorphismus), wir nutzen im Sprachgebrauch einfach âSnipsâ, denn mit dem gesprochenen S N P im Wortfluss bricht sich eines Tages noch jemand die Zunge.
Im Text wird auch der Begriff Marker verwendet, was hier SNPs meint.
Ein Nukleotid ist also eine Struktureinheit der DNS (DesoxyribonukleinsĂ€ure, heute eigentlich nur mehr in englischer Form als DNA fĂŒr acid = SĂ€ure bezeichnet) und besteht aus einem Zucker (eben der Desoxyribose), den vier Nukleinbasen A(denin), G(uanin), C(ytosin), T(hymin) und PhosphorsĂ€ure.
Diese Basen paaren sich immer miteinander â G paart sich mit C, A mit T â so entsteht die allseits bekannte Doppelhelix der DNA.
Ăndert sich eine Base, Ă€ndert sich damit auch ihr Gegenpart.
Die Entdeckung dieser Struktur 1953 war, wie man sieht, bahnbrechend fĂŒr die genetische Forschung und wurde damals ĂŒbrigens ebenfalls im erwĂ€hnten âNatureâ publiziert, auf ganzen zwei Seiten ![đ]()
Gene, bestimmte Abschnitte auf der DNA, codieren jedenfalls bekanntermaĂen fĂŒr Proteine, die den Körper formen und am Leben erhalten (s. Teil I).
Mit einer Ănderung von Basenpaaren Ă€ndern sich womöglich Funktionen â oder eben auch gar nichts. Das hĂ€ngt unter anderem davon ab, in welchem Bereich des Genoms VerĂ€nderungen stattfinden. SNPs innerhalb codierender Regionen können dazu fĂŒhren, dass die gebildeten Proteine ein wenig anders aussehen und anders funktionieren, als bei anderen Lebewesen. Wir erinnern uns wieder, dass das ein Vorteil sein kann, aber auch ein Nachteil. Beim Menschen werden bestimmte SNPs mit einem erhöhten Risiko fĂŒr entzĂŒndliche Darmerkrankungen, Diabetes Typ 1, Psoriasis oder andere Erkrankungen mit autoimmunem Hintergrund in Zusammenhang gebracht. Diese Formulierung ist besonders wichtig auch fĂŒr ZĂŒchter, denn es gibt einen Unterschied zwischen einem erhöhten Risiko aufgrund genetischer Disposition und einer Mutation, die immer zu einer Erkrankung fĂŒhrt. Worauf wir ZĂŒchter unsere Hunde testen, sind meist solche monogenen (also nur durch ein Gen ausgelöste) Erkrankungen oder Eigenschaften, wie Farben, FelllĂ€nge und Struktur etc. Es gibt aber auch Erkrankungen wie Typen der PRA (Progressive Retinaatrophie) oder Cystinurie, bei denen erst die Analyse mehrerer beteiligter Gene/Mutationen Aufschluss bringt. Bei der PRA sind es aktuell ĂŒber 20 bekannte Mutationen und beteiligte Gene.
Die StÀrke der AusprÀgung resp. die Schwere der Erkrankung hÀngt bei manchen Mutationen aber auch wieder von Begleitfaktoren ab, wie wir spÀter am Beispiel des Faktor VII-Mangels sehen werden.
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SNPs zeigen aber erst mal nur Variationen in einzelnen Basenpaaren und damit Unterschiede im Genom an, einzelne Nukleotide sind polymorph, also vielgestaltig.
Und diese Unterschiede sind fĂŒr uns interessant.
Mit der Analyse MyDogDNA werden nicht nur eine ganze Reihe bekannter und problematischer Punktmutationen (an einer Nukleinbase), Indels (also Insertionen = VerĂ€nderungen durch zusĂ€tzliche Nukleotide oder Sequenzen und Deletionen = Löschung von Sequenzen, s. Teil I), Kopplungsmarker und andere VerĂ€nderungen der DNA untersucht, sondern auch ĂŒber 20.000 standardisierte SNPs.
Besonderes Augenmerk wurde auch auf die DLA-Region, die fĂŒr das Immunsystem zustĂ€ndig ist, gelegt. Dazu und zum Rest aber in einem anderen Beitrag mehr.
Aus der Analyse der SNPs lassen sich Aussagen zum Inzuchtniveau/genomischen Inzuchtkoeffizient, zur genomweiten DiversitÀt, zur DiversitÀt innerhalb der Rasse und im Vergleich mit anderen Rassen und zur Verwandtschaften innerhalb der Rasse und zu anderen Rassen treffen.
Denn jede Rasse, die ja eine Subpopulation innerhalb der Haushunde darstellt, hat ihre eigenen populations- bzw. eben rassespezifischen Haplotypen, damit also Gruppen von Individuen, die die selbe Nukleotidsequenz auf einem Chromosom haben.
Ein Knackpunkt. ZĂŒchterisch wie allgemein fĂŒr die Rassen.
Aus dem letzten Absatz ergibt sich auch, wie diese Analysen Einkreuzungen aufzeigen können, und zwar natĂŒrlich weit besser, als das der von vielen verspottete MARS-Test zur Rassereinheit mit nur 321 getesteten SNPs konnte. Im Vergleich noch einmal die Erinnerung: MyDogDNA testet aktuell ĂŒber 20.000 SNPs.
Man könnte nun sagen, und das ist eine beliebte Kritik, 20.000 SNPs sind noch immer nicht genau genug, da muss schon eine komplette Sequenzierung des Genoms her! Oder, zumindest wie beim Menschen, irgendwas in der GröĂenordnung mehrerer 100.000 bis zu 1 Mio. SNPs.
Das ist jedoch nicht nötig, wie in diesem Artikel âDer Hund als Modell fĂŒr den Humangenetikerâ ausfĂŒhrlich dargestellt wird. Ein kurzes Zitat:
FĂŒr einfach mendelnde Merkmale braucht man nur 10 bis 20 Hunde und einen Chip mit etwa 15.000 bis 30.000 SNPs, um das Merkmal völlig zweifelsfrei im Genom zu kartieren. Mit diesem ersten Schritt ist das Merkmal relativ grob im Genom des Hundes zugeordnet. FĂŒr eine exakte Feinkartierung untersucht man in einem zweiten Schritt Tiere von anderen Hunderassen, die zufĂ€llig auch dieses Merkmal zeigen. Das klingt zunĂ€chst ĂŒberraschend, weil man glaubt, diese Mutation kommt nur bei der spezifischen Hunderasse vor. Aber dazu muss man wissen, dass nicht Neumutationen zu den heutigen Rassen gefĂŒhrt haben, sondern dass die selektive ZĂŒchtung von in der Spezies Hund bereits vorhandenen Varianten zur einheitlichen Rasse fĂŒhrte. Die sehr verschiedenen Hunderassen spiegeln die natĂŒrliche Variation in der Ausgangspopulation der Hunde wieder.
Forschung am Hund unterstĂŒtzt nebenbei bemerkt die Forschung am Menschen und hilft damit tatsĂ€chlich nicht nur HundezĂŒchtern.
Aus den Daten, die wir ĂŒber MyDogDNA zur VerfĂŒgung stellen, werden laufend wissenschaftliche Arbeiten erstellt, die peer-reviewed in Zeitschriften publiziert werden. Auf dem Blog von Genoscoper kann man die Veröffentlichungen und die Arbeiten an Projekten verfolgen.
Ein weiterer Kritikpunkt richtet sich gegen die Tests auf Defekte an sich, besser gesagt, auf die Zuchtplanung anhand von Gesundheitsergebnissen.
Jetzt mag man erst mal meinen, dass das an sich ja nicht schlecht wÀre, Zucht nach Gesundheitsergebnissen.
Jein.
Zwar sind viele der bekannten Erkrankungen auf monogene, rezessive Defekte zurĂŒckzufĂŒhren (s.o.), die Genetikerin Carol Beuchart (Institute of Canine Biology) spricht sogar von etwa 70 bis 80% der Erkrankungen. Der Rest allerdings nicht â und vor allem kennen wir bisher nur einen Bruchteil davon.
Je mehr wir aufgrund von Gentests selektieren und womöglich symptomfreie TrĂ€ger aus der Zucht ausschlieĂen, desto schwieriger wird es, gesunde Hunde zu zĂŒchten. Denn diese Hunde tragen ja nicht nur dieses eine schadhafte Allel, sondern jede Menge wertvoller Gene, die damit verloren gehen.
NatĂŒrlich muss man ĂŒberlegen, womit man es zu tun hat. Handelt es sich um eine Erkrankung wie die beim Whippet neu mit MyDogDNA entdeckte Bluterkrankheit Faktor VII-Mangel, die offenbar nur sehr milde Symptome auslöst und einen sehr geringen Krankheitswert hat, dazu auch nur von ganz wenigen Hunden getragen wird, oder hat man es mit etwas Ernsthaftem zu tun, wie bspw. der Greyhound Neuropathie (siehe Wie aus dem Nichts? Was wir aus Gendefekten lernen könnten)?
Als die Myostatin-Mutation, die fĂŒr sogenannte âBully-Whippetsâ sorgte (siehe Myostatin-Mutation beim Whippet), vor einigen Jahren aufkam und ein Gentest dafĂŒr etabliert wurde, brach unter Whippetleuten ja teilweise rechte Panik aus. Blitzartig wurden Bestimmungen erlassen, alle Hunde in der Zucht und im Sport zu testen, um TrĂ€ger auszuschlieĂen. Gefunden hat man nur eine Handvoll Hunde (umgangssprachlich, genaue Zahlen sind zumindest mir nicht bekannt), der Verlust fĂŒr die Rasse hielt sich also in Grenzen. Wirklich gut nachgedacht wurde aber eher nicht.
Der einzige Weg, weg von immer mehr Defekten zu kommen, ist die Zucht auf genetische DiversitÀt.
Rein rechnerisch ist die Sache nĂ€mlich recht einfach: Einen groĂen Anteil der rezessiven, krankmachenden Mutationen kenne ich aktuell noch nicht, kann also nicht darauf testen. Sehen kann ich sie am TrĂ€ger auch nicht. ZĂŒchte ich mit eng verwandten Hunden, bspw. mit einem COI von 25%, erben die Welpen mit einer Wahrscheinlichkeit von 25% zwei identische Kopien eines Allels, sind also homozygot in diesem Bereich. Sind es zufĂ€llig Allele, die geschĂ€digt sind, bleibt dem Hund keine âgesundeâ Kopie mehr und eine Erkrankung prĂ€gt sich aus.
Gentests schĂŒtzen also nur bedingt davor, kranke Hunde zu zĂŒchten, dennoch sollten sie auf jeden Fall durchgefĂŒhrt werden, wenn sie rassespezifisch sind. Dazu gibt es auch einen aktuellen Beitrag: Fast 20 Jahre DNA-Tests â was können wir daraus lernen?
Ăhnlich wie bei der Problematik um das unĂŒbersichtliche Angebot von Genanalysen muss man auch hier sagen, dass sich sehr viele Artikel von Wissenschaftlern und Laien genau auf dieses Thema richten, dass nĂ€mlich Tests auf monogene Defekte alleine keine Heilsbringer sind. Wer sich auch nur oberflĂ€chlich damit auseinandersetzt oder auseinandersetzen will und nicht mit Scheuklappen an das Thema herangeht, weiĂ das.
Der dritte groĂe Kritikpunkt wĂ€re die ValiditĂ€t: Sind Tests auf monogene Defekte ĂŒberhaupt zuverlĂ€ssig, wie ist es um die QualitĂ€t der Tests und der Wissenschaft dahinter bestellt?
Die meisten Defekte, die MyDogDNA testet (es sind aktuell ĂŒber 150), sind nicht rassespezifisch. Rassespezifisch und nur beim Whippet vorkommend ist aktuell die erwĂ€hnte Myostatin-Mutation. Zu PFKD gibt es meines Wissens nur eine Fallstudie mit zwei BrĂŒdern, gelistet wird sie von sĂ€mtlichen Laboren jedoch als rassespezifische Erkrankung.
Dennoch laufen alle Mutationen bei den Analysen mit, ganz egal, um welche Rasse oder welchen Rassemix es sich handelt, und das ist gut. Denn so hat man eben bspw. die Bluterkrankheit Faktor VII-Mangel beim Whippet durch eine MyDogDNA-Analyse neu entdeckt. Hunde, die zwei defekte Allele tragen, zeigen Blutgerinnungsstörungen und damit starke Blutungen nach Operationen oder schweren Verletzungen.
Diese Mutation kennt man von anderen Rassen und geht aktuell davon aus, dass es sich um eine recht alte Mutation handelt, die daher in vielen Rassen vertreten sein wird. Nun weiĂ man, der Whippet trĂ€gt sie auch, und er war bei weitem nicht die einzige Rasse, bei der es zur âNeuentdeckungâ durch MyDogDNA kam. Und Faktor VII-Mangel ist auch nicht die einzige Mutation, siehe die Arbeit âGenetic Panel Screening of Nearly 100 Mutations Reveals New Insights into the Breed Distribution of Risk Variants for Canine Hereditary Disordersâ, die aus der Auswertung von Probennahmen zwischen 2013 und 2015 erfolgte. Der Whippet war da noch gar nicht dabei.
Interessanterweise scheint es so zu sein, dass der Effekt der Mutation beim Whippet tendenziell gering ist, wĂ€hrend er bei anderen Rassen oft zu deutlich ausgeprĂ€gteren Symptomen fĂŒhrt. Wie ausgeprĂ€gt die Symptome im Einzelfall sind, lĂ€sst sich jedoch nicht vorhersagen und hĂ€ngt vom Individuum selbst ab. Ob die Neigung zu postoperativen Blutungen bei Whippets auch daher rĂŒhren kann? Es wĂŒrde eine Analyse erfordern.
Der Faktor VII-Mangel ist demnach ein Beispiel fĂŒr eine Mutation, die von weiteren Faktoren beeinflusst wird, und nicht nur von dieser einzelnen Mutation.
Andere Mutationen, wie bspw. der als MedikamentenunvertrĂ€glichkeit bekannte Defekt des MDR1-Gens (siehe MDR1-Defekt beim Windhund? Nein!), sind mutmaĂlich noch Ă€lter und finden sich ebenfalls bei zahlreichen Rassen bzw. ganzen Rassegruppen. Gleiches gilt fĂŒr die CEA, die Collie Eye Anomalie, deren Namen auf die betroffene Rassegruppe hinweist. Sie legen oftmals Zeugnis davon ab, dass bestimmte Rassen bei der Entstehungsgeschichte einer jĂŒngeren Rasse beteiligt waren.
Bei MDR1 ist das im Bezug auf den Windhund konkret beim Silken Windsprite (ehemals Langhaarwhippet) der Fall, dessen Entstehungsgeschichte ja anders ablief, als vom GrĂŒnder der Rasse und seinen AnhĂ€ngern behauptet. Diese Rasse ist nĂ€mlich keine langhaarige, aber dennoch reinrassige VarietĂ€t des Whippets, sondern entstand aus Whippets, die den Defekt nicht tragen, und Shelties, die diesen Defekt sehr hĂ€ufig tragen. Vor der Möglichkeit, Hundegenome ganz einfach und kostengĂŒnstig analysieren zu lassen, war das Vorhandensein des MDR1-Defekts in der Population der indirekte Nachweis. Heute braucht man sich darĂŒber gar nicht mehr zu streiten, die Analysen sind eindeutig und zeigen die (nur mehr weitlĂ€ufige, aber dennoch vorhandene) Verwandtschaft zum Sheltie und Barsoi, und Probleme haben damit nur mehr ewig Gestrige.
Zu sehen sind im Vergleich auch hier wieder die Hunde (blaue Punkte sind Silken Windsprites), die sich auf halbem Wege zum Whippet (pink) befinden â es sind Hunde, die aus Einkreuzungen von Whippets zur Erhöhung der genetischen DiversitĂ€t beim Silken Windsprite hervorgegangen sind. Interessant ist auch die Tabelle, wer sich genauer damit auseinandersetzen will, der kann das direkt unter diesem Link.
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Wer sich konkret dafĂŒr interessiert, auf welcher Basis die Untersuchungen zu einzelnen Mutationen (Krankheiten, MedikamentenunvertrĂ€glichkeiten) durchgefĂŒhrt werden, welche Marker untersucht werden usw., wird in der öffentlichen Datenbank von MyDogDNA schnell fĂŒndig. Unter jeder Mutation findet sich ein Link zu einer pdf-Datei, in der das Merkmal in seinen Eigenschaften kurz beschrieben wird, betroffene Rassen genannt werden und es Verweise zu den herangezogenen Studien gibt.
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Beispiele sind:
PFKD, beim Whippet in zwei FĂ€llen beschrieben, aber dennoch rassespezifisch:
https://www.mydogdna.com/crm/disorders/128_PFKM_3breeds/en/128_PFKM_3breeds.pdf
Myostatin-Mutation aka Bully Whippet Syndrom, bisher exklusiv bei der Rasse Whippet aufgetreten:
https://www.mydogdna.com/crm/disorders/129_MSTN_new/en/129_MSTN_new.pdf
Faktor VII-Mangel:
https://www.mydogdna.com/crm/disorders/163_cFVII/en/163_cFVII.pdf
Wird, wie oben erwĂ€hnt, eine Mutation neu in einer Rasse entdeckt, kommt sie auf die âWatchlistâ und es werden tiefergehende Analysen vorgenommen. Daraus entstehen dann auch Arbeiten wie die weiter oben verlinkte, die ebenfalls wieder veröffentlicht werden. FĂŒr die Rasse selbst werden sie als ânew potential disorders in the breedâ, also potentiell neue rassespezifische Erkrankungen gefĂŒhrt. Stellt es sich heraus, dass die Mutation in der Rasse tatsĂ€chlich vorkommt und nicht auf kĂŒrzlich vorgenommene Einkreuzungen zurĂŒckzufĂŒhren ist, wird sie irgendwann den Status der âknown disorders in the breedâ, also bekannte Erkrankungen gefĂŒhrt.
Es wird auĂerdem ausgewiesen, und das gilt ebenfalls fĂŒr die unter âTraitsâ angefĂŒhrten Farben, FelllĂ€nge, GröĂe etc., wie viele untersuchte Hunde der Rasse und allgemein in der Datenbank diese Mutation aufweisen. 2018 wurde auch die Arbeit âFrequency and distribution of 152 genetic disease variants in over 100,000 mixed breed and purebred dogsâ veröffentlicht, die auf die US-amerikanische Version MyBreedData zurĂŒckgreift.
FĂŒr den Dilute-Faktor, der zur FarbverdĂŒnnung und damit zu âblauenâ Whippets in allen Spielarten fĂŒhrt, liest man bspw.:
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Der allerdings wirklich wichtige Aspekt bei der Analyse ist, und das möchte ich wieder einmal betonen, die ermittelte genetische DiversitÀt und das Breeder Tool, das die analysierten Daten der Hunde miteinander abgleicht. Das ist etwas, was wir ohne DNA-Analysen nicht tun können und es zeigt sich immer wieder, und auch bei meinem C-Wurf, dass die mathematische Theorie hinter Inzuchtkoeffizient und Ahneverlust eben nur Anhaltspunkte liefert, aber nicht die RealitÀt abbilden kann. Die Unterschiede zwischen Geschwistern sind teilweise erstaunlich und faszinierend sind die Vergleichsmöglichkeiten.
Siehe dazu auch noch einmal den Beitrag MyDogDNA, das Breeder Tool und der Genetic Health Index.
In Summe bieten sich also eine FĂŒlle an Möglichkeiten, die gar nicht auf einen Schlag zu ĂŒberblicken sind, und es gibt genauso zahlreiche Möglichkeiten, sich zu informieren und sich Hilfe zu holen, wenn es Fragen oder VerstĂ€ndnisprobleme gibt.
Ich finde, dass eine gute Portion Skepsis eine sehr wertvolle Eigenschaft darstellt und die sollte man sich immer behalten. Einfach neue Möglichkeiten in der Hundezucht ungenutzt an einem vorbeiziehen zu lassen, ist dagegen keine gute Idee. Vielleicht hat dieser Beitrag fĂŒr manche ein wenig Hilfe bereitgestellt oder auch die Neugier geweckt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und sich auf einen neuen Weg zu machen. Aufhalten kann man diese Entwicklung zumindest nicht mehr ![đ]()